Mit dieser Plakatinschrift empfängt das Mädchen die Prozession, welche nach Beendigung der heutigen Bischofsweihe am Ausgang des Freiburger Münsters von den „Maria 2.0“-Aktivistinnen gesäumt wird. Mit der klugen Intuition des Kindes – wenn nicht (Gott bewahre!) doch die Mama die Hand ihrer Tochter missbraucht hat – umschifft die Kleine die Crux der Theologie des Weiheamtes, die derzeit im Mittelpunkt der innerkirchlichen Auseinandersetzungen steht. Dass das Papstamt keine Weiheamt ist, sondern „nur“ ein Wahlamt, von dem man – aus welchen Gründen auch immer – zurücktreten kann, hat uns das Jahr 2013 in Erinnerung gerufen. So gesehen hat die von der jungen Demonstrantin plakatierte Ansage des beruflichen Ziels mit Wohnsitz im Vatikan eine vergleichsweise größere Chance als etwa der vieldiskutierte Diakonat der Frau. Und man braucht dazu nicht erst die abstruse Story von der Päpstin Johanna zu bemühen.
Wenn auch in Stufen untergliedert (Diakonat, Presbyterat, Episkopat) handelt es sich im katholischen Verständnis des „ordo“, also der Weihe, um ein unteilbares Sakrament, von dem es keine „Light“-Version geben kann. Auch das Sakrament der Taufe empfängt man nicht nur „ein bisschen“, sondern ganz oder gar nicht. Kluge Theologinnen mit spekulativer Begabung, den männlichen Kollegen ihrer Zunft bisweilen weit überlegen, durchschauen die Mogelpackung eines „Einstiegs-Diakonats“ sofort als mögliches Placebo zur Beruhigung der erhitzten weiblichen Gemüter.
Der „ordo“ taugt jedoch nicht als kirchenpolitischer Kompromiss à la „wenigstens den Diakonat könnte man doch für die Frauen freigeben“. Die innere Logik des Weiheamtes kennt keine strategischen Spielchen, wie man sie zu den Zeiten der 68er noch als „Marsch durch die Institutionen“ konzipiert hatte. Ein – vermeintlich auch „nur“ – im Diakonenamt „geweihter“ Mensch, ob Mann, ob Frau, lebt in der geistlichen Dimension der Berufung zum Dienst, die für alle Weihestufen gleichermaßen gilt und im Wesen unteilbar ist.
Ein Grunddatum biblischer Anthropologie ist die Aussage, dass Gott den Menschen „nach seinem Bild und Gleichnis“ gebildet hat: „als Mann und Frau erschuf er sie“. Daraus leiten das Judentum wie das Christentum die unterschiedslos gleiche Würde von Mann und Frau ab, die in den demokratischen Verfassungen zur fundamentalen Idee der Gleichberechtigung geführt hat. Vor diesem Hintergrund kann man die weltweiten Bewegungen zu Gunsten wirklicher Gleichberechtigung, unter Maßgabe der individuellen Verfasstheit, nicht nur verstehen, sondern man muss sie fördern und fordern.
Dabei bleibt es jedoch bei der schwer lösbaren Frage, ob die religiös begründete Weihe zu jenen Menschenrechten gehört, die jedem menschlichen Wesen a priori eigen sind. Gemäß dem biblischen Verständnis von „Berufung“ dürfte es schwer sein, ein
womöglich sogar verfassungsrechtlich einklagbares „Recht auf Weihe“ darzustellen. Dieser komplexen Problematik haben sich die Kirchen der Reformation dadurch entledigt, dass sie ihre systemische Vorstellung von Ordination nicht in der Sphäre von „Weihe“ angesiedelt haben.
Folgerichtig kennt die reformatorische Tradition Pfarrerinnen und Bischöfinnen, und dies aus protestantischem Amtsverständnis heraus mit Fug und Recht. Von einem „Sakrament göttlichen Rechts“, wie es die katholische Kirche versteht, spricht man im Protestantismus nicht: übrigens eine, wenn nicht sogar die nach wie vor ungelöste ökumenische Herausforderung.
Die differenzierende Einsicht macht eine simple und pragmatische Lösung nach dem Motto „bei den Evangelischen geht’s doch auch!“ schwer. Allerdings: wer solchermaßen behutsam argumentiert, zieht sich allzu schnell den Vorwurf des Machismo zu, der mit Berufung auf überkommene Traditionen doch nur einen unerleuchteten Klerikalismus zelebriert. Der Verweis darauf, dass es in der katholischen Tradition hochbegabte, hochgeachtete und weit über ihre Zeit hinaus wirkmächtige Frauen waren, die der Kirchenwirklichkeit den Stempel aufdrückten (Teresa von Ávila, Katharina von Siena, Hildegard von Bingen, Edith Stein und viele andere), wird im entsprechenden Diskurs schnell als Ablenkungsmanöver abgetan.
Die derzeitigen unter dem Signet „Maria 2.0“ vorgetragenen Forderungen betreffen meist die Weihe der Frau im gemeinsamen Katalog mit der Abschaffung des Zölibats. Auf den ersten Blick macht diese Lösung im Bundle durchaus Sinn: man kann durchaus Verständnis dafür haben, dass eine zur Priesterin geweihte Frau nur wegen ihres Berufs nicht auf Ehe und Familie, also auf ein Leben mit sexueller Intimität verzichten will.
Allein: es gilt festzuhalten, dass „Zölibat“ und „Weihe“ zwei weit auseinander liegende theologischen Qualitäten besitzen. Der Zölibat ist ein einfaches Kirchengesetz, zu einer bestimmten historischen Stunde (4. Laterankonzil) für den lateinischen Klerus verpflichtend gemacht und deswegen zumindest „theoretisch“ jederzeit revidierbar. Der „ordo“, die Weihe, rangiert indes in einer völlig anderen theologischen Kategorie, wird in der katholischen Kirche mit dem „ius divinum“, dem göttlichen Recht unter dem Stifterwillen Jesu Christi in Verbindung gesehen. Man kann dies natürlich leugnen oder für Nonsens halten, trifft dadurch zumindest unbewusst auch schon persönliche Entscheidungen, die ein unbeschwertes Leben in der Glaubensgemeinschaft der katholischen Kirche auf Dauer mühsam machen dürften.
Wenn Frauengruppen sich derzeit in einen „eucharistischen Hungerstreik“ begeben oder sich (wie jüngst geschehen) – zeitlich parallel zu dem im Kirchengebäude vom Priester gefeierten Gottesdienst – unter freiem Himmel in „Fladenbrot mit Prosecco“ eucharistisch begegnen, wird kein Blitz vom Himmel sie daran hindern. In den Anden Lateinamerikas, fernab von Rom, werden solche Versammlungen ungeniert als „misa negra“, schwarze Messen, deklariert und praktiziert. Wir leben in einer permissiven Gesellschaft: alles ist erlaubt.
Es ist kein Geheimnis, dass sich die katholischen Bischöfe in Deutschland in dieser und anderen Fragen uneins sind wie selten zuvor. Ein erst vor kurzem in sein Amt eingeführter Bischof spricht unverblümt und – offenbar seinem eben erst geleisteten Treueeid schon wieder entfremdet – ungehindert davon, dass (etwa im Kontext pädophiler Verbrechen) das unselige Phänomen des Machtmissbrauchs „zur DNA der Kirche [sic!]“ gehöre. Wie besagter Oberhirte sich einem nach seinem Urteil evident korrupten und und unheilbaren, weil „genetisch“ defekten Apparat dennoch als Bischof zur Verfügung stellen kann, bleibt sein Geheimnis. Rational ist eine solche mentale Dissonanz nicht zu erklären.
Es bleibt die Frage, ob man dem mit seinem Plakat protestierenden Mädchen wirklich dazu raten soll, ihren hehren Berufswunsch „Päpstin“ konsequent weiter zu verfolgen. Der Job ist nicht leicht – aber immerhin kann man aus ihm auch wieder zurücktreten. Mit dem „character indelebilis“ der Weihe geht das nicht.
Freiburg, 30. Juni 2019
Wolfgang Sauer