„Es ist erst der Anfang …“

Nachlese zum Katholischen Medienkongress 2017

Was war mit dem Thema konnotiert? „Hallo, jetzt starten wir durch!“? Oder „Wir können noch ganz anders!“ Oder „Ihr werdet schon sehen, wo das endet!“?

Dass die biblischen Berge der Gottesoffenbarung von einem Tal namens Silicon Valley abgelöst worden zu sein scheinen, darauf wies Christiane Florin in ihrer geistreichen Schlussmoderation mit Timotheus Höttkes (Vorstandsvorsitzender Deutsche Telekom)  und Reinhard Kardinal Marx (Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz) hin.

Die zahlreichen Panels des Kongresses oszillierten zwischen der Sorge oder gar Angst vor der neuen Technologie mit ihren zweifellos ungeahnten und faszinierenden Möglichkeiten, und andererseits dem Enthusiasmus angesichts einer weltweiten digitalen Vernetzung, die gleichsam ein neues Zeitalter eingeläutet hätte, sozusagen eine nachgeholte mediale Jahrtausendwende. Und in all dem natürlich die Frage: wo steht die Kirche, hat sie etwas zu sagen, oder gehört sie (einmal mehr?) zu den ewig gestrigen Fortschrittsverweigerern?

Es war dem früheren Verfassungsrichter Paul Kirchhof vorbehalten, Jubel und Klage rechtsphilosophisch, aber vor allem kommunikationstheoretisch zu erörtern und die Chancen und Risiken der Digitalisierung kenntnisreich zu sondieren. Ein Beitrag, der im Nachgang des Kongresses vielleicht einmal als das Highlight der Veranstaltung gewertet werden dürfte. Die Einwände aus dem Auditorium, er habe zu viel von den Risiken und zu wenig von den Chancen gesprochen bzw. die Warte des professoralen Juristen zu einer prädominanten Skepsis benutzt, gingen in die Leere.

Es war und ist höchste Zeit, die anonymen Mechanismen der Digitalisierung zu analysieren und zu benennen: und zwar um der Freiheit und Würde des Menschen willen, die nicht von mit Algorithmen aufgeladenen Robotern ausgehebelt werden dürfen. Dies hat nicht mit Fortschritts- und Technikfeindlichkeit zu tun, sondern mit einer tiefergehenden Nachdenklichkeit, die sich nicht von einer kurzsichtigen Euphorie des Neuen blenden lässt. Schon Thomas von Aquin weist darauf hin, dass ein kleiner Denk- oder Einschätzungsfehler am Beginn eines Prozesses schlussendlich in einer großen Sackgasse enden könnte „Quia parvulus error in principio magnus erit in fine“.

Die zweifellos gigantischen Möglichkeiten, die mit der Digitalisierung einhergehen, und von denen wir alle in hohem Maß und vielfältig profitieren, sollten dennoch nicht blind machen für die geheim gehaltenen ökonomischen Interessen, die bei den Großkonzernen der Digitalisierung verfolgt werden. Ethos, Chancengleichheit, Bildungsgerechtigkeit, informationelle Selbstbestimmung und individuelle Freiheit bleiben auf der Strecke, wenn sich international agierende Player geschickt jeder gesetzlichen und ökonomischen Kontrolle entziehen und ihr Janusgesicht hinter dem lächelnden Plakat des grenzenlosen Fortschritts verbergen. Übrigens: dieselben Menschen, die wegen Vorratsdatenspeicherung auf die Barrikaden gehen, überlassen selbst intime Informationen bedenkenlos jenen, die mit „sophisticated“ ausgedachten Programmierungen das Nutzerverhalten manipulativ konditionieren. Naiver Pragmatismus ist fehl am Platz.

Nicht einen Appell, sondern einen Handlungsauftragt schrieb Kirchhof den Kirchen ins Stammbuch. Die visionären Persönlichkeiten, die einst im Zeitalter der Massenindustrialisierung einen analytischen Blick für Ausbeutung und Marginalisierung der Arbeiterschaft entwickelten und in Wort und Tat gegensteuerten, scheinen heute keine adäquaten Nachfolger zu haben.

Wir erinnern uns an die Arbeiterpriester, etwa des Prado in Lyon. Braucht es heute Digitalpriester? Die Herausforderung ist zu groß, als dass man sie klerikalisieren dürfte. Das Zweite Vatikanische Konzil hat andere Rollenzuweisungen vorgenommen. Es wäre freilich kein Fehler, wenn auch Verantwortungsträger in den Kirchen noch kompetenter verstehen lernten, was mit dem Begriff Digitalisierung gemeint ist – und was sich dahinter verbirgt.

Bonn/München
17.10.2017